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Nachbesetzungsverfahren: So erhalten Sie eine vertragsärztliche Zulassung

Nachbesetzungsverfahren: So erhalten Sie eine vertragsärztliche Zulassung

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Nachbesetzungsverfahren: So erhalten Sie eine vertragsärztliche Zulassung
Benjamin Ruhlmann, MBA
August 4, 2022
5 min read
Vertragsarztzulassung

Um eine Über- oder Unterversorgung durch Arztpraxen oder Psychotherapeuten zu vermeiden, gibt es in Deutschland sogenannte zulassungsbeschränkte Bezirke. In diesen Bezirken muss die kassenärztliche Vereinigung (KV) des jeweiligen Bundeslandes auf Antrag den nachzubesetzenden Vertragsarztsitz ausschreiben.

Für die Nachbesetzung im Sinne des § 103 Abs. 4 SGB V gibt es eine Reihe von Voraussetzungen. Wie ein Nachbesetzungsverfahren abläuft, welche Bedingungen hier erfüllt sein müssen und was passiert, wenn sich mehrere Personen auf eine ausgeschriebene vertragsärztliche Zulassung bzw. auf die Fortführung einer ausgeschriebenen Praxis bewerben, zeige ich Ihnen in diesem Fachartikel.

In diesem Artikel wird die Rechtslage kurz zusammengefasst. An einigen Stellen gebe ich grundlegende Handlungsempfehlungen. Dies kann aber keine persönliche Rechtsberatung ersetzen. Sichern Sie sich immer und in jedem Fall individuell rechtlich ab und lassen Sie sich von einem spezialisierten Rechtsanwalt oder einer spezialisierten Rechtsanwältin zu Ihrem Fall beraten. Gerne von uns!

Wie erhalte ich eine Vertragsarztzulassung?

Entgegen der Erwartung vieler Betroffener ist es nicht möglich, eine Vertragsarztzulassung zu „kaufen“. Vielmehr existiert hierfür ein bestimmtes Bewerbungsverfahren, das durch den zuständigen Zulassungsausschuss betreut und entschieden wird.

Dabei ist es häufig ungewiss, ob einem Antrag auf Nachbesetzung stattgegeben wird, insbesondere dann, wenn in dem entsprechenden Gebiet eine Überversorgung droht. Ist die Nachbesetzung für die Versorgung eines Bezirks nicht erforderlich, kann der Zulassungsausschuss den Antrag ablehnen. Von Seiten des Nachfolgers besteht jedenfalls kein Anspruch auf Nachbesetzung.

Wird Ihnen eine Zusage auf Nachbesetzung der Vertragspraxis erteilt, können Sie eine Praxis – also ihre materiellen und immateriellen Werte – kaufen. Sofern die Praxis mit einer vertragsärztlichen Zulassung gearbeitet hat, kann dies ebenfalls ein wertbildender Faktor für den Kaufpreis sein. Beachten Sie bei den Bedingungen im Kaufvertrag daher insbesondere die Höhe des Verkehrswertes.

Nachbesetzungsverfahren

In einem zulassungsfreien Gebiet eine Arzt- oder psychotherapeutische Praxis zu übernehmen oder nachzubesetzen, stellt in aller Regel keine große Herausforderung dar. Anders sieht es hingegen in zulassungsbeschränkten Gebieten aus.

Ein Nachbesetzungsverfahren ist nur dann von Bedeutung, wenn das Gebiet überversorgt ist. Das bedeutet, dass der Versorgungsgrad in dem konkreten Fachbereich über 110 % des Planungsbereiches liegt. Liegt die Praxis hingegen nicht in einem überversorgten Gebiet, so erhalten Ärzte:innen in der Regel ohne weiteres die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung, wenn sie einen Antrag beim Zulassungsausschuss stellen.

Eine vertragsärztliche Zulassung endet, wenn Vertragsärzte:innen versterben, freiwillig auf die Zulassung verzichten oder ihnen die Zulassung entzogen wird. Wenn die Praxis von anderen Personen fortgeführt werden soll, wird auf Antrag ein Nachbesetzungsverfahren durchgeführt. Ein solches Verfahren ist in § 103 SGB V geregelt (dazu weiter unten mehr).

Ablehnung eines Nachbesetzungsantrags durch den Zulassungsausschuss

Liegt der Versorgungsgrad bei über 140 %, soll der Zulassungsausschuss ein Nachbesetzungsantrag ablehnen, um eine Überversorgung zu vermeiden. Es ist ihm jedoch nicht verboten, im konkreten Einzelfall von dieser Regel abzuweichen und ausnahmsweise dem Antrag doch stattzugeben.

Liegt der Versorgungsgrad in dem Gebiet zwischen 110 und 139,9%, so kann der Ausschuss den Antrag ablehnen, er kann diesen aber auch bewilligen.

Bei der Entscheidung über einen Nachbesetzungsantrag hat der Zulassungsausschuss einen Beurteilungsspielraum, der von Gerichten nur eingeschränkt überprüfbar ist.

Die Gerichte können hierbei lediglich Folgendes prüfen:

-       Beruht der Verwaltungsakt auf einem vollständigen Sachverhalt beruht?

-       Fußt die Entscheidung auf sachlichen Gründen bezüglich der Erforderlichkeit aus Versorgungsgründen?

-       Werden die Gründe für die Ablehnung hinreichend in dem erteilten Bescheid dargelegt, so dass der Antragsteller diese erkennen und nachvollziehen kann?

Wird ein Nachbesetzungsantrag abgelehnt, fällt damit auch die Kassenzulassung ersatzlos weg (sog. Einziehung). Ärzte:innen können daraufhin allenfalls mit privatversicherten Patienten:innen weiterarbeiten oder ihre Patienten:innen an Dritte vermitteln.

Da die Praxis nun nicht mehr gewinnbringend verkauft werden kann, wird für die betroffenen Vertragsärzte:innen eine Entschädigungszahlung fällig, die durch die kassenärztliche Vereinigung gezahlt wird. Die Entschädigungshöhe richtet sich nach dem Verkehrswert der Praxis als Ganzem (sog.Ertragswertverfahren).

Ihr Antrag auf Nachbesetzung wurde abgelehnt? Als Fachanwalt im Medizinrecht konnte ich schon viele Ärzte:innen bundesweit erfolgreich gerichtlich sowie außergerichtlich vertreten. Kontaktieren Sie mich jederzeit für ein anwaltliches Beratungsgespräch zu Ihrem individuellen Fall.

Versorgungsrelevanz

Von der Versorgungsrelevanz ist die Rede, wenn ärztliche oder psychotherapeutischen Praxen für die Infrastruktur eines bestimmten Bezirkes notwendig sind. Es geht also darum, die ärztliche oder psychotherapeutische Versorgung der Bürger:innen zu gewährleisten.

Wann eine solche Relevanz vorliegt, ist immer im Einzelfall zu entscheiden und kann nicht pauschal beantwortet werden. In der Gesetzesbegründung zum Versorgungsstärkungsgesetz hat der Gesetzgeber Fallgruppen benannt.

Diese Fallgruppen geben eine Orientierung dafür, wann eine Versorgungsrelevanz bestehen kann und ob diese ggf. für eine Nachbesetzung spricht:

·      Bedarf einer speziellen Fachrichtung im zu versorgenden Gebiet

·      Mitversorgungsaspekte

·      Erhalt eines Versorgungsangebots durch ein medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) oder eine Berufsausübungsgemeinschaft

·      Versorgungsbedürfnisse von Menschen mit körperlichen oder geistigen Behinderungen

·      Bedarf einer besonderen lokalen oder qualifikationsgebundenen Versorgung

Liegt ein Fall vor, der zu einer Gruppierung passt, kann dies dem Zulassungsausschuss einen Anlass dazu geben, ein Nachbesetzungsverfahren durchzuführen.

Ein Nachbesetzungsverfahren kann jedoch auch ohne Entscheidung des Ausschusses durchgeführt werden, wenn die Bedingung für eine zwingende Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens vorliegen.

Folgende Bedingungen begründen eine zwingende Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens:

1. Die Praxis wird durch Ehegatten:innen, Lebenspartner:innen oder Kindern weitergeführt.

2. Die Praxis wurde bis zuletzt gemeinschaftlich geführt und einer der Angestellten oder Mitgesellschafter:innen soll diese nun allein fortführen. Hierfür muss die gemeinschaftliche Praxisführung jedoch mindestens 3 Jahre lang bestanden haben.

3. Die Nachfolger:innen verpflichten sich, die Praxis in ein versorgungsbedürftiges Gebiet zu verlegen.

4. Die Nachfolger:innen haben mindestens 5 Jahre in einem unterversorgten Gebiet gearbeitet und diese Tätigkeit nach Inkrafttreten des Versorgungsstärkungsgesetz erstmalig begonnen.

Was passiert bei mehreren Bewerbungen für eine Nachbesetzung?

Grundsätzlich wird zunächst über den abstrakten Antrag entschieden, also darüber, ob die Praxis nachbesetzt werden soll. Gibt der Zulassungsausschuss diesem Antrag statt, so hat die kassenärztliche Vereinigung den Sitz in den amtlichen Bekanntmachungen auszuschreiben und daraufhin eine Bewerbungsliste zu erstellen. Von dieser Liste wird dann eine Person ausgewählt.

Bewirbt sich nur eine Person für die Nachbesetzung, ist die Entscheidung denkbar einfach. Anders liegt der Fall, wenn aus einer Vielzahl aus Bewerbungen die richtige Nachbesetzung gewählt werden soll.

Das Gesetz (Stand 07/2022) sieht in § 103 SGB V vor, dass bestimmte Auswahlkriterien zu berücksichtigen sind:

§ 103 SGB V – Zulassungsbeschränkungen

(…) Unter mehreren Bewerbern, die die ausgeschriebene Praxis als Nachfolger des bisherigen Vertragsarztes fortführen wollen, hat der Zulassungsausschuss den Nachfolger nach pflichtgemäßem Ermessen auszuwählen. Bei der Auswahl der Bewerber sind folgende Kriterien zu berücksichtigen:

1. die berufliche Eignung,

2. das Approbationsalter,

3. die Dauer der ärztlichen Tätigkeit,

4. eine mindestens fünf Jahre dauernde vertragsärztliche Tätigkeit in einem Gebiet, in dem der Landesausschuss nach § 100 Absatz 1 das Bestehen von Unterversorgung festgestellt hat,

5. ob der Bewerber Ehegatte, Lebenspartner oder ein Kind des bisherigen Vertragsarztes ist,

6. ob der Bewerber ein angestellter Arzt des bisherigen Vertragsarztes oder ein Vertragsarzt ist, mit dem die Praxis bisher gemeinschaftlich betrieben wurde,

7. ob der Bewerber bereit ist, besondere Versorgungsbedürfnisse, die in der Ausschreibung der Kassenärztlichen Vereinigung definiert worden sind, zu erfüllen,

8. Belange von Menschen mit Behinderung beim Zugang zur Versorgung,

bei medizinischen Versorgungszentren die Ergänzung des besonderen Versorgungsangebots; dies gilt entsprechend für Vertragsärzte und Berufsausübungsgemeinschaften mit einem besonderen Versorgungsangebot.

Wie oben bereits geschildert, führen einige dieser Aspekte zu einer zwingenden Nachbesetzung der vertragsärztlichen Zulassung. Liegen keine zwingenden Voraussetzungen vor, entscheidet der Zulassungsausschuss nach billigem Ermessen über die Nachbesetzung und wählt eine Person aus, die sich nach den oben genannten Kriterien am besten für die Nachbesetzung eignet.

Daraufhin schließen die bisherigen Vertragsärzte:innen einen Praxiskaufvertrag mit der ausgewählten Person ab, woraufhin diese dann eine Zulassung durch den Ausschuss erhält.

Sie brauchen rechtliche Unterstützung? Als Fachanwalt für Medizinrecht kann ich auf eine langjährige Erfahrung mit dem Vertragsarztrecht zurückblicken. Gerne berate ich auch Sie zu Ihrem persönlichen Anliegen.