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2022: Das neue Kaufrecht, bleibt alles anders?

2022: Das neue Kaufrecht, bleibt alles anders?

Kaufrecht, AGB, digitale Produkte, digitale Elemente, analoge Waren

Anna Maria Miller
Anna Maria Miller, MBA, LL.M.
May 22, 2022
5 min read
Anna Maria Miller
Mit Wirkung zum 01. Januar 2022 sind neue kaufrechtliche Vorschriften in Deutschland in Kraft getreten. Dies diente der Umsetzung der Warenkaufrichtlinie (Richtlinie (EU) 2019/771) sowie der Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen (Richtlinie (EU) 2019/770) und der Harmonisierung des EU-Kaufrechts. 

Diese neuen Gesetze sind mit weitgehenden Änderungen verbunden, insbesondere im Hinblick auf Verbrauchsgüterkaufverträge, also bei B2C-Verträgen, aber auch im allgemeinen Kaufrecht, also bei B2B- und C2C-Verträgen. Dies stellt Unternehmen vor neuen Herausforderungen und ist mit Unsicherheiten verbunden.  

Durch die Gesetzesänderungen sind neue eigenständige Vorschriften für Verträge über digitale Produkte in den §§ 327 ff, 475 ff. BGB eingeführt worden. Wichtig dabei: diese gelten nur für Verbraucherverträge. Dabei ist zu beachten, dass dadurch kein neuer Vertragstyp entstanden ist, sondern, dass diese Vorschriften vielmehr zusätzlich zu den Vorschriften des einschlägigen Vertragstyps (z.B. Kaufvertrag oder Mietvertrag) anzuwenden sind. 

Nach den neuen gesetzlichen Bestimmungen ist nun eine Abgrenzung zwischen 

  • digitalen Produkten, 
  • Waren mit digitalen Elementen und 
  • (analogen) Waren 

vorzunehmen. 

Der Begriff der digitalen Produkte dient als Überbegriff für digitale Inhalte (z.B. Software, Videospiele) und digitale Dienstleistungen (z.B. Datenbanken, Social-Media-Dienste). Bei digitalen Produkten, die als Teil eines Paketvertrages mit anderen (analogen) Waren bereitgestellt werden (z.B. Kauf eines Fernsehers mit gleichzeitigem Abschluss eines Netflix-Abo), oder die in einer anderen analogen Sache enthalten oder verbunden sind (z.B. „smarter“ Kühlschrank), gelten die §§ 327 ff. BGB nur für den digitalen Bestandteil. Für Waren mit digitalen Elementen, also Waren, die ihre Funktionen ohne diese digitalen Produkte nicht erfüllen können (z.B. Smartphone, Smartwatch), gelten die §§ 327 ff. BGB nicht, sondern nur das allgemeine Kaufrecht, das durch die §§ 475b ff. BGB modifiziert wird. 

Für (analoge) Waren gilt das allgemeine Kaufrecht weiter. 

Zudem gilt für alle Kaufsachen nun ein neuer Sachmangelbegriff, der weiterhin in § 434 BGB definiert ist. 

Eine Sache ist nun frei von Sachmängeln, wenn sie kumulativ den subjektiven Anforderungen, den objektiven Anforderungen und den Montageanforderungen entspricht. 

Aufgrund letzterem ist besonders darauf zu achten, dass Zubehör, sowie Montage- und Installationsanleitungen vorliegen, da bereits das Fehlen einer Montageanleitung zu einem Mangel führt. Die subjektiven Anforderungen entsprechen denen der alten Sachmangeldefinition. Bezüglich der objektiven Anforderungen ist nun besonders darauf zu achten welche öffentlichen Äußerungen bezüglich der Sache vom Verkäufer abgegeben werden bzw. ihm zurechenbar sind. Verkäufer müssen zudem darauf achten, dass ihre Produkte die (branchen- und produkt-)übliche Beschaffenheit aufweisen, die der Käufer unter Berücksichtigung der Art der Sache und der öffentlichen Äußerungen erwarten kann. Für den Käufer nachteilige Abweichungen von den objektiven Anforderungen können zwar auch im B2C-Bereich beispielsweise in AGB vereinbart werden, allerdings nur unter den strengen Voraussetzungen des § 476 BGB und im Hinblick darauf, dass sie einer AGB-Kontrolle gemäß §§ 305 ff. BGB standhalten.  

Bei digitalen Produkten und bei Sachen mit digitalen Elementen gilt nun eine sog. Aktualisierungspflicht des Unternehmers. Wird diese Pflicht verletzt, liegt ein Mangel des digitalen Produkts gemäß §§ 327e Abs. 3, 327f BGB vor. Es ist somit für den Verkäufer von großer Bedeutung in seinen AGB anhand der Kriterien von § 327 Abs. 1 BGB festzulegen, wie lange er zur Aktualisierung verpflichtet ist und was der Umfang der Aktualisierungspflicht ist. 

Ist der Verkäufer nicht gleichzeitig Hersteller bzw. Lieferant, muss er auch in Hinblick auf diese seine AGB ändern, um die Aktualisierungspflicht weiterreichen zu können. Zudem sind auch die Änderungen im Bereich des Lieferantenregress für neu hergestellte Sachen gem. §§ 445a, 445b BGB in den AGB aufzunehmen, insbesondere ist bei B2B-Verträgen eine Verjährungsregel empfehlenswert. 

Angesichts dieser weitreichenden Änderungen sollten Unternehmer ihre Prozesse sowie ihre Kaufverträge und AGB anpassen, damit diese der aktuellen Gesetzeslage entsprechen. 

Haben Sie als Unternehmer Fragen, kontaktieren Sie uns gerne jederzeit – vereinbaren Sie einen Termin für ein Telefonat mit unseren Experten oder schreiben Sie uns unter mail@advoctrl.com.